Schreiadler sind vermutlich unsere anspruchvollsten Greifvögel und kommen nur in ganz bestimmten Lebensräumen vor. Sie finden nur in einer dünn besiedelten Kulturlandschaft mit einem abwechslungsreichen Nebeneinander von Wald und Offenland ihre optimalen Lebensbedingungen wieder.
An den Brutplätzen ist der Wald aus einer Vielfalt an Baumarten zusammengesetzt. Am häufigsten werden Laubbäume als Horstbaum gewählt, z.B. Erle, Eiche, Birke und Buche. Der oft hohe Totholzanteil trägt nicht zuletzt zu einem naturnahen Erscheinungsbild des Brutplatzes bei.
Typischerweise sind die Reviere durch lange, strukturreiche Waldränder gekennzeichnet. Diese erzeugen eine enge Verzahnung der Brutplätze mit den Nahrungsflächen im Offenland, denn Schreiadler sind nicht die "Waldadler", wie viele denken. Vielmehr haben kleinsäuger- und amphibienreiche Agrarflächen eine entscheidende Bedeutung als Nahrungsflächen. Dem Grünland fällt hierbei eine besonders große Bedeutung zu.
Nicht umsonst werden Schreiadler im Estnischen "Väike-konnakotkas", also "Kleine Froschadler", genannt. Diese treffliche Bezeichnung verdeutlicht, dass Wasser in den Lebensräumen der Schreiadler eine große Rolle spielt. Stets sind Kleingewässer, Sölle, Waldmoore, Bruchwaldbereiche oder kleine Fließgewässer in der Nähe ihrer Horste zu finden.
Aus der Perspektive eines fliegenden Schreiadlers fällt auf, dass seine Lebensräume unzerschnitten und unverbaut sind.
Schreiadler stecken in Bezug auf ihre Beute in einem Dilemma. Ihre relativ kleine Körpergröße erlaubt es ihnen nicht, beliebig große Beutetiere zu erlegen und zum Horst zu tragen. Andererseits muss ein evtl. mehrere Kilometer weiter Nahrungsflug unterm Strich mehr Energie liefern, als er gekostet hat. Ein Nahrungsflug mit einer Heuschrecke als Beute lohnt sich also nicht. Eine Möglichkeit zum Sammeln und Transportieren von vielen kleinen Nahrungstieren haben Schreiadler auch nicht. Am besten sind also handliche Beutestücke. Aus diesem Grund sind Schreiadler besonders in der Brutzeit auf ein reiches und stetiges Nahrungsangebot aus Wühlmäusen, Mäusen,
Gras- und Moorfröschen, Eidechsen, Ringelnattern oder auch Maulwürfen angewiesen.
Das Aufspüren der Beute erfolgt entweder zu Fuß, durch den Ansitz von einem erhöhten Gegenstand (Zaunpfahl, Rundballen, Ast) oder aus dem Suchflug.
Das Jagdgebiet kann sehr klein sein, wenn der Horst in einer nahrungsreichen Landschaft liegt. Bei ausgezeichneter Nahrungssituation kann es vorkommen, dass Schreiadler ihren Brutwald überhaupt nicht verlassen. In Jahren mit einem schlechten Nahrungsangebot sind dagegen weite Nahrungsflüge notwendig. Neuere Erkenntnisse aus der Telemetrie deuten darauf hin, dass dann auch Flüge zu über 15 km entfernten Nahrungsflächen keine Seltenheit sind.
Bei Schreiadlern gibt es das Phänomen des "Kainismus". Das Weibchen legt zwar 2 Eier, aus denen auch 2 Junge schlüpfen, aber nur das ältere, der "Kain", überlebt. Der kleinere, später geschlüpfte Jungvogel aus dem 2. Ei, der "Abel", überlebt in der Regel nicht. Er zieht bei der Fütterung gegenüber seinem Geschwister den Kürzeren und wird durch diesen bedrängt und angegriffen, so dass "Abel" wenige Tage nach dem Schlupf verstirbt. Dieses Verhalten tritt bei mehreren Greifvogelarten auf. Seine Bedeutung ist jedoch nach wie vor unklar.
Delikate Lebensraumansprüche, hoch spezialisiertes Jagdverhalten und eine sehr geringe Vermehrungsrate sind der Besonderheiten nicht genug. Zu allem Überfluss zieht es Schreiadler außerhalb der Brutzeit auch noch in den Süden. Dazu nehmen sie jedes Jahr eine Zugstrecke von 10.000 km in Kauf - je Richtung! Im Falle des ältesten bisher dokumentierten Schreiadlers (26 Jahre) bedeutet das eine Lebensleistung von ca. 500.000 km.
Neben stammesgeschichtlichen Gründen liegen die Ursachen für den Zug vor allem in der Verfügbarkeit von Nahrungstieren. Während Seeadler auch im Winter in der Lage sind, sich von Aas und Wasservögeln zu ernähren, sind Nagetiere und Amphibien für Schreiadler im gefrorenen Boden unerreichbar.
Dank ihres Flügelbaus können Schreiadler die Thermik zum Aufstieg nutzen und anschließend größere Strecken im Gleitflug zurücklegen. Die Abhängigkeit von Aufwinden führt jedoch auch dazu, dass sie Jahr für Jahr einen recht schmalen Zugkorridor einhalten müssen. Dieser führt entlang der östlichen Mittelmeerküste über die Türkei, Syrien, den Libanon, Israel und 10 weitere Länder in den Süden Afrikas. In einem Dreieck zwischen Tansania, Namibia und Südafrika verbringen die Schreiadler etwa 5 Monate in feuchten, savannenartigen Landschaften mit der Jagd auf ähnliche Beute wie in ihren Brutgebieten. In Afrika ernähren sich Schreiadler aber auch von Insekten (vor allem Termiten) und Vögeln.